Was heisst hier eigentlich ‚demokratisch‘?
Kommentar von BI-Pressesprecher Kim Sen-Gupta
Wer nach guten Gründen für die Riesenhallen am Limes fragt, bekommt neben dem – zumindest in unserem Fall mehrfach widerlegten – ‚Arbeitsplätze und Gewerbesteuern‘-Mantra immer wieder zu hören: Alles sei ja schließlich demokratisch beschlossen worden. Da lohnt es sich, mal genauer hinzusehen.
Einige der bedenklichsten Entwicklungen, die uns seit Jahren in Atem halten, haben demokratisch ins Amt gelangte Akteure zu verantworten. Und einige der Mechanismen, die im Handeln der Putins, Trumps, Orbans, Johnsons dieser Welt erkennbar werden, lassen sich im Kleinen auch bei uns beobachten. Deshalb ist Vorsicht geboten. Denn Demokratie ist immer und überall darauf angewiesen, vor Menschen beschützt zu werden, die sie missbrauchen, um tricksend und manipulierend ihre Interessen und/oder die ihrer Sponsoren durchzudrücken.
Könnte es sein, dass darunter auch die ZWIGL-Verbandsversammlung leidet? Wäre das eine Erklärung für die Tatsache, dass es monatelang nicht aufgefallen ist, dass der ZWIGL-Vorstand Investoren-Wünsche erfüllte, die grob gegen die eigenen Regeln verstießen? In der ZWIGL-Versammlung stimmen Menschen ab, die sich in ihrer Freizeit, zwischen Familien, Berufen und all den vielen Dingen des täglichen Lebens, ehrenamtlich für unser Gemeinwesen engagieren. Beschlussvorlagen, oft mehrere Aktenordner stark, werden ihnen allzu oft erst in letzter Minute zugestellt. Maßgeblich für Inhalte und Timings verantwortlich ist der Zweckverbandsvorstand.
Was, wenn dort jemand säße, der alles für demokratisch legitimiert hält, bei dem er nicht ertappt wird – oder woran er nicht von Gerichten gehindert wird? Der so eine beispiellose, ununterbrochene Reihe von Fehlleistungen produziert? Und die mit Sätzen begründet, die so unfreiwillig komisch sind, dass selbst höchste Gerichte sie mit dem bemerkenswerten Begriff ‚logikfern‘ bezeichnen? Demokratie muss wehrhaft sein. Und will verteidigt werden. In Frankfurt hat es Jahre gebraucht, bis die BürgerInnen sich von einem OB befreit haben, dessen Fehlleistungen ihn längst als toxischen Narzissten erkennbar gemacht hatten. Zum Schluss immerhin erkannte auch seine eigene SPD, dass man diesen Bürgermeister den Menschen nicht mehr zumuten konnte. So weit scheint die SPD hier bei uns noch nicht zu sein…
Höchstes hessisches Gericht entscheidet gegen Göllner
Wie erwartet, hat das höchste hessische Gericht gerade die längst offensichtlichen Tatsachen bestätigt und dem Eilantrag der Hammersbacher Gemeindevertretungs-Mehrheit gegen das selbstherrliche Treiben des Bürgermeisters und ZWIGL-Vorstehers Göllner stattgegeben – schon die zweite schallende Ohrfeige eines Gerichts für Göllners ‚herausragende‘ ZWIGL-Führung. Weitere dürften folgen.
Überfordert oder mit Absicht – Göllner hat sich in seinem Dauer-Interessenkonflikt als eigentlich allen Hammersbacher Bürgern gleichermaßen verpflichteter Bürgermeister und ZWIGL-Vorsteher heillos verheddert. Aufträge der Gemeindevertreter-Mehrheit in Sachen Logistikhallen setzt er denn auch – wenn überhaupt – nur zögerlich um. Die Interessen der Dietz AG dagegen vertritt er mit Feuereifer. So blockierte er denn auch die Absicht der GV, Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu wollen. Auch hierfür kassierte er nun nochmals eine gerichtliche Ohrfeige.
Göllner glaubte wohl selbst nicht daran, mit seinen allzu durchsichtigen Begründungen erfolgreich zu sein (O-Ton des Gerichts: ‚logikfreie‘ Argumente). Vielmehr scheint es ausschließlich darum zu gehen, auf Kosten der BürgerInnen mit formalen Winkelzügen Zeit zu schinden, damit Dietz’sche Bautrupps in auffälliger Windeseile Fakten gegen Umwelt, Landschaft und Menschen schaffen können – unter dem Applaus peinlichster Pressemitteilungen der Hammersbacher SPD.
Schlimm, dass die Mehrheit einer Gemeindevertretung geltendes Recht gegen den eigenen Bürgermeister einklagen muss. Doch Göllner scheint längst vergessen zu haben, dass sein Hauptberuf eigentlich die Vertretung der Interessen jener Menschen sein sollte, die ihn jüngst mit gerade mal 200 Stimmen Mehrheit wiedergewählt hatten.
Setzt der ZWIGL gesetzliche Ausgleichsmaßnahmen um?
Zweifel an der rechtmäßigen Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen für durch den Bau der Logistikhallen 1 und 2 im Gewerbegebiet Limes weckt die aktuelle Bestandsaufnahme durch den Bund Umwelt und Naturschutz (BUND). Aus der geht hervor, dass mehr als die Hälfte der vorgeschriebenen Maßnahmen nicht oder nur teils erfolgt sei. Der BUND stellte uns die Dokumentation (Stand 7/2021) zur Verfügung, Sie können das pdf hier herunterladen:
Unser Boden braucht eine Lobby
Mit großer Selbstverständlichkeit verwandeln wir Wald-, Wiesen-, Garten- oder Ackerland in Baugebiete – in Deutschland tagtäglich die Fläche von über 90 Fußballfeldern. Das ist etwa das Doppelte dessen, was sich die Bundesregierung in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie für das Jahr 2020 zum Ziel gesetzt hatte. Die Folgen wurden lange unterschätzt. Doch jetzt regt sich wachsender Widerstand – überregional organisiert zum Beispiel im Bundesbündnis Bodenschutz.
In der Wetterau und anderswo zeugen riesige Logistikhallen von einer Entwicklung, die stärker zu Klimawandel und Artensterben beiträgt, als gemeinhin bekannt ist. Gesunde Böden sind nicht nur wesentlicher Faktor der Nahrungskette für Menschen und Tiere und wichtig für die Grundwasserneubildung. Sie sind auch der größte CO2-Speicher überhaupt. Weithin unbekannt ist leider die Tatsache, dass einmal überbauter Boden für Jahrhunderte biologisch nahezu tot ist. Vielleicht auch deshalb werden viel zu oft bisher unbebaute Flächen mit leichter Hand als Bauland ausgewiesen.
Boden hat ein Imageproblem – er ist scheinbar unbegrenzt verfügbar. Und hat weder Kulleraugen noch ein seidiges Fell, die im Tierschutz helfen, auch die Schutzreflexe weniger informierter Zeitgenossen zu wecken. Um so wichtiger ist es, uns die Bedeutung eines sorgsamen Umgangs mit dieser wichtigsten aller Ressourcen aktiv vor Augen zu führen.
Noch immer gibt es Entscheider in Politik und Wirtschaft, die eine überwunden geglaubte Idee nicht aufgegeben haben: Wachstum um jeden Preis soll als Allheilmittel herhalten. Mit Standard-Argumenten – Arbeitsplätze und Steuereinnahmen – werden langfristige Auswirkungen verdrängt.
Derzeit sind zum Beispiel allein in Südhessen 12.300 Hektar von Überbauungs-Planspielen betroffen – diese Fläche weist das ‚Regionale Entwicklungskonzept‘ für Südhessen als ‚Pool‘ aus. Laut aktuellem Flächennutzungsplan des Regionalverbands FrankfurtRheinMain sind es aktuell allein hier 2.300 Hektar. Regionalverbandschef Horn sah im Hanauer Anzeiger vom 21.8. Bedarf für „1.000 ha zusätzliche Gewerbeflächen“ bis 2030. Gerade im Fall der besonders wertvollen, auch in Zeiten vorübergehend geringerer Regenfälle fruchtbaren Lößböden der Wetterau stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Pläne mit Nachdruck.
Allerhöchste Zeit also, die Politik von der Notwendigkeit neuer Prioritäten zu überzeugen. Das Bundesbündnis Bodenschutz ist ein gemeinsamer Schritt dazu – und der Weltbodentag am 5.12. ein willkommender Anlass, für dessen Anliegen zu werben: Es gilt, die Anstrengungen von BürgerInnen und Institutionen zu bündeln, um das dringend erforderliche Umdenken sicherzustellen – und die Regierungen an ihre Zusagen zu erinnern.
Das Bundesbündnis lädt zum mittun ein – auf www.bundesbuendnis-bodenschutz.de findet sich neben einer Kontaktadresse die stetig wachsende Liste jener Bürgerinitiativen und Institu-tionen, die bereits ihre Arbeit vernetzen, sich gegenseitig unterstützen und Aktivitäten wie Klagen, Unterschriftensammlungen und Demonstrationen koordinieren.
Interessanter Beitrag von Pfarrer Kristen auf hr1
Wer sich gegen Monsterhallen engagieren will, kann das auch mit einer Spende tun
Seit es notwendig geworden ist, auch juristische Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wird der Widerstand gegen die Erweiterung des Gewerbegebietes Limes zum 50 ha großen ‚Logistikpark Frankfurt Nord-Ost‘ deutlich teurer. Deshalb hat die BI ein Spendenkonto eingerichtet und freut sich über Ihren Beitrag – jeder gespendete Euro hilft! Bürgerinitiative SchatzBoden, Lehmann/Schott, Sparkasse Oberhessen, IBAN DE68 5185 0079 1028 3056 44
Interview: Pfarrer Christ im Kreisanzeiger
Artikel vom 03.04.2019
Dorf gegen Industriegebiet
Beitrag im BR vom 10.01.2019, 20:45 Uhr
Als Bürgerinnen und Bürger haben wir sehr wohl Möglichkeiten, unsere Interessen zu vertreten. Auch und gerade, wenn sie nicht zu vermeintlich ‚längst beschlossenen‘ Plänen passen. Manchmal zeigt sich dann die ‚andere Seite‘ einsichtig – auch ohne zuvor jedem, der anderer Meinung ist, ‚Verschwörungstheorien‘ und ähnliches zu unterstellen, wie es leider nicht nur im Weißen Haus zunehmend vorkommen soll.
Ein schönes Beispiel: Die Gemeinde Vilshofen wollte auf Äckern und Wiesen vor den Toren der Stadt ein Industriegebiet bauen und dort eine Firma für Asphaltaufbereitung ansiedeln. Doch Vilshofen hatte die Rechnung ohne das Dorf Albersdorf gemacht, in dessen direkte Nachbarschaft das Gebiet gekommen wäre. Die Dorfbewohner stellten sich quer – der Investor hatte ein Einsehen und fand eine bessere Lösung.